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Letten lieben Moosbeeren !
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Eine der Beerensorten, die Letten besonders gerne mögen,
die aber in Deutschland fast unbekannt ist, ist die Moosbeere.
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Moosbeeren haben einen ganz besonderen, bitteren Geschmack.
Der kommt vom hohen Anteil an Vitamin C und anderen Säuren.
Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe werden Moosbeeren traditionell als
eine Art Medizin betrachtet, die gegen Krebs u.a.m. helfen soll.
Das ist sicher alles andere als erwiesen – Tatsache ist es aber,
daß sie ausgezeichnet schmecken !
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Die Moosbeere wächst bevorzugt, wie ja schon die Name sagt,
in Moorgebieten. Der hochdeutsche Name „Moosbeere“ basiert
dabei an der, wie ich erfahre, eher süddeutschen Benennung
„Moos“ für „Moor“. Moore sind auf der Nordhalbkugel bis etwa 71°
nördlicher Breite zu finden, besonders häufig aber im Baltikum,
in Skandinavien, im nördlichen Rußland sowie in Japan. Verwandte
Formen gibt es auch in Nordamerika, wo die sog. „Cranberry“ gar
industriell genutzt und dann auch nach Europa exportiert wird.
In Deutschland ist die Moosbeere dagegen viel seltener.
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Auf Lettisch heißt sie „dzērvene“. „Dzērvene“ kommt vom Wort
„dzērve“ – Kranich. Wahrscheinlich rührt dieser Name daher,
daß Kraniche gerne in Mooren leben und diese Beeren fressen.
Interessant ist, daß auch auf Niederdeutsch diese Beerenart z.T.
Kraanbeere, Kranbeere oder auch Krammbeer/n genannt wird –
was sich ebenfalls auf den Kranich bezieht. Vielleicht haben wir
Letten hier aus dem Deutschen übersetzt ?! Das kommt oft vor.
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Moosbeeren werden in Lettland sozusagen für alles verwendet:
zur Herstellung von Getränken, als Obst für Kuchenauflagen,
als Einlage in Joghurts, ja selbst in Schokolade (Lettland hat da
viele nationale Rezepte, die die Industrie sonst verschmäht).
Wir Letten essen sie auch gerne ohne alles andere roh und pur.
Ein deutscher Freund meinte aber nach einem ersten Versuch,
daran müsse man sozusagen von der Kindheit an gewöhnt sein –
ein normaler Mensch könne sie wohl nur als Zutat verwenden.
Fast jeder Lette hat welche in seinem Kühlschrank eingefroren
– auch in meinem Kühlschrank sind immer welche zu finden !
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Neben der Wildform gibt es auch kultivierte große Moosbeeren,
die aber deutlich anders als ihre wilden Verwandten schmecken.
Manche Menschen versuchen daher, in ihrem Garten aus dem
Moor mitgebrachte Beeren anzupflanzen – nicht immer mit Erfolg.
Andere, die gar nicht selber sammeln, kaufen von den Sammlern.
Und für die gesammelten Moosbeeren sollen in Lettland die Preise
im Schnitt höher sein als irgendwo sonst in Europa. Erstaunlich !
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Sobald der Herbst da ist, ziehen die Letten in den Wald, um dort
Pilze und Beeren zu sammeln – und mit allergrößter Leidenschaft
ins Moor, denn hier warten garantiert die Moosbeeren auf sie !
Diese alte Tradition ist bis heute ungebrochen: Auch die großen
lettischen Weltnetz-Portale schmücken ihre Seiten über und über
mit Moosbeeren, sobald die Saisaon angebrochen ist !
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Die Letten haben zumeist keine Angst, sich im Moor zu bewegen –
auch wenn es naß ist und der Boden unter den Füßen schwankt.
Wahrscheinlich erinnern sie sich an Erfahrungen ihrer Kindheit,
denn die Kenntnisse über das Moor werden von einer Generation
auf die andere weitergegeben – die Letten sind ein Volk des Moors.
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In sowjetischen Zeiten hat man auch das Sammeln reglementiert:
So wurden Jahr für Jahr irgendwelche Termine bekanntgegeben,
ab denen man ins Moos gehen durfte. Offiziell sollte so die Ernte
von zu jungen Beeren verhindert und ein optimaler Ernteertrag
gesichert werden. Wahrscheinlich war es aber eine reine Schikane.
Wenn dann der langerwartete Tag gekommen war , strömten ganze
Busladungen von Menschen in siedlungsnahe Moore und richteten
durch ihren konzentrierten Auftritt leider erhebliche Schäden an.
Deshalb hat man nach einigen Jahren dieses Verfahren auf- und
die Zeit des Beerensammelns wieder freigegeben – immerhin !
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Eine der typischen Erinnerungen aus meiner Kindheit ist es,
mit den Eltern ins Moor zu gehen und Beeren zu sammeln.
Natürlich habe ich als Kind nicht genügend Geduld gehabt,
um den ganzen Tag im Moor zu sein und fleißig zu sammeln.
Hinzu kam, daß meine kindliche Nase die im Moor oftmals
herrschenden, eher üblen Gerüche nicht ertragen konnte…
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Nach vielen Jahren Pause bin ich aber im letzten Herbst doch
wieder in Moor gegangen. Ich wählte ein kleines Moor unweit
der estnische Grenze, denn es sah so aus, als würde niemand
diesen Platz kennen. Tatsächlich wuchsen hier viele Moosbeeren
– dicht an dicht. Der Boden war glücklicherweise ziemlich trocken,
und überdies schien die Sonne den ganzen Tag, was hier im Norden
nicht immer selbstverständlich ist. So verbrachte ich einen langen
Tag im Moor – bei herrlicher Waldluft und warmer Herbstsonne,
und bis zum Abend hatte ich fast 13 Liter Beeren gesammelt !
Die füllen jetzt meinen Kühlschrank und locken in die Küche…
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Übersetzung: Thomas W. Wyrwoll
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